Publikation über Verhaltensmuster von Führungsgremien in der Krise.

Führungsgremien verhalten sich in der Krise unterschiedlich. Von blindem Aktivismus bis zur Schockstarre ist alles zu beobachten. Es gilt, einen kühlen Kopf zu bewahren, Vergangenes zu hinterfragen und Potentiale zu entdecken und zu nutzen. Dazu hilft der Wechsel vom Verwaltungs- in den Gestaltungsmodus.

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Unterschiedliche Verhaltensmuster

Wir leben in sehr dynamischen Zeiten. Vieles verändert sich. Schon vor der Coronakrise wurden viele Geschäftsmodelle auf die Probe gestellt. Sei es durch neue Technologien der Digitalisierung oder der  Automatisierung, durch verändertes Kundenverhalten oder durch neue Konkurrenten.

Die aktuelle Krise kam für die meisten Führungsgremien plötzlich und heftig. Die wenigsten Unternehmen und Organisationen berücksichtigten in ihrer Risikoanalyse eine Pandemie und deren Folgen wie Betriebsschliessungen oder starke Einschränkungen des ganzen Betriebsablaufs. Es gibt kein Lehrbuch für den Umgang mit dieser Art von Krise. Daher gehen Verwaltungsräte und Vorstände auch ganz unterschiedlich mit der Krise um. Zu beobachten sind unterschiedliche Verhaltensmuster:

  • Anpackend und vorausschauend: Man analysiert die Situation, definiert Massnahmen und Ziele, setzt diese um und passt die Strategie bei Bedarf an.
  • Krisenmodus: Man diskutiert die Krise, aber ergreift keine Massnahmen zu deren Bewältigung.
  • Krisenresitent: Man macht quasi so weiter wie bisher, als ob es keine Krise gibt.
  • Schockstarre: Man macht gar nichts. Termine und Sitzungen werden abgesagt.

Wie bei vielem, auch in der Krise macht es die Mischung aus. Möchte ein Patron zu sehr anpacken, oder ist er zu fordernd, dann kann das auch zum blanken Aktivismus und zur Überforderung der anderen Mitglieder im Führungsgremium führen. Begegnet man der Krise fast schon mit Gleichgültigkeit oder gar Schockstarre, dann läuft man Gefahr, dass man die Krise unterschätzt und das erst realisiert, wenn es schon zu spät für korrigierende Massnahmen ist.

Trotz Krise gilt, es einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht gleich alles, was in der Vergangenheit gut war über Bord zu werfen. Aber die jetzige Krise lässt es in vielen Branchen nicht zu, dass man einfach nichts macht.

Vielfältige Ursachen

Die Gründe, wieso Führungsgremien so unterschiedlich auf die Krise reagieren sind vielfältig. Viele Gremien sind überaltert, bestehen seit Jahren in der gleichen Zusammensetzung und mussten auch noch nie eine so weitreichende Krise bewältigen. Viele Vorstände und Verwaltungsräte waren bisher nicht gezwungen, Bestehendes und gar sich selber zu hinterfragen oder sich an plötzliche Veränderungen anzupassen. Arbeiten in Führungsgremien hat auch viel mit Ritualen zu tun. Ablauf und Struktur der Sitzungen laufen oft seit Jahren gleich ab. Die fast identische Traktandenliste wird abgearbeitet, das Geschäft wird primär verwaltet, weil man damit in der Vergangenheit gut gefahren ist und auch erfolgreich war.

Die jetztige Krise, aber auch die schon länger latent vorhandenen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und Automatisierung, können zu Überforderung oder gar Lähmung von Führungsgremien führen. Da man keinen unmittelbaren Handlungsbedarf sieht oder nicht erkennt, wo man anfangen müsste, wird gar nichts gemacht. Man sucht nach Ausreden und sagt gar Termine ab.

In vielen Gremien fehlt auch ein Businessplan mit messbaren Zielen und damit der Fokus. Oftmals übernimmt der Geschäftsführer die Leitung der Besprechungen der Führungsgremien. Er kennt ja das Tagesgeschäft und machte das in der Vergangenheit  immer gut. Das kann soweit gehen, dass der Geschäftsführer auch gleich noch den Lead bei der strategischen Arbeit übernimmt. Das funktioniert in guten Zeiten in der Regel gut, aber in der Krise kann es auch zu Blockaden und eben Stillstand führen. Der Geschäftsführer verlangt nach neuen strategischen Zielen, aber der Verwaltungsrat oder der Vorstand ist damit überfordert.

Ein weiterer Aspekt ist die Zeit. Der Umgang mit der Krise braucht auch Zeit für eine saubere Analyse und Auslegeordnung. Dazu bräuchte es aber mehr Ressourcen als in Zeiten ohne Krise. Da viele Mitglieder von Verwaltungsräten und Vorständen mehrere Mandate haben, kann der Mangel an Verfügbarkeit und Ressourcen zu Engpässen und wiederum zu Stillstand führen.

Vom Verwalten zum Gestalten

Wie schafft man den Schritt vom Verwalten zum Gestalten? Den Status-Quo erst in der Krise in Frage stellen, ist gar nicht so einfach. Sich selber zu hinterfragen oder gar zu kritisieren braucht Mut und hängt auch von der Kultur im Gremium bzw. der ganzen Organisation ab. Patriarchale Strukturen gibt es auch heute noch in vielen Unternehmen und Organisationen. Der Chef, oft der Inhaber, entscheidet oft alleine aufgrund seiner Erfahrungen. Eine Unternehmensstrategie mit einem Businessplan und Zielen für die kommenden Jahre ist oft nicht dokumentiert. Die Strategie besteht oft nur in den Köpfen oder gar nur im Kopf des Chefs. Damit man eine bestehende Strategie in der Krise anpassen und hinterfragen kann, muss ein gemeinsames Verständis darüber bestehen. Woher kommt man und noch wichtiger, wohin will man.

Eine Möglichkeit vom Verwaltungs- in den Gestaltungsmodus zu wechseln, ist die aktive Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell des Unternehmens oder der Organisation. Für die Überprüfung und Weiterentwicklung des Geschäftsmodells gibt es ganz unterschiedliche Wege und Werkzeuge. Es gibt dazu keinen falschen oder richtigen Weg. Der schlimmste Weg, den man wählen kann, ist der, keinen zu wählen und stehen zu bleiben. Wichtig ist, dass man damit anfängt, dran bleibt und sich mit der Zukunft des Unternehmens und der Organisation auseinander setzt.

Nachfolgend sind wichtige Fragen und Werkzeuge zur Überprüfung des Geschäftsmodells aufgeführt.

6 zentrale Fragen zur Klärung:

  • Wie werden das Unternehmen und das heutige Angebot im Markt wahrgenommen?
  • Wie könnten sich die Anforderungen und das Verhalten der Kundschaft und des Umfeldes verändern?
  • Wie sieht das zukünftige Angebot aus?
  • Wofür soll das Unternehmen in Zukunft stehen?
  • Welches sind die Kunden der Zukunft?
  • Mit welchen Prozessen und Systemen könnte die zukünftige Marktleistung erbracht werden?

Hilfsmittel, um die Fragen ganzheitlich zu beantworten:

  • Befragung von Mitarbeiter und Kunden (Klärung des Eigen- und Fremdbildes)
  • Durchführung einer Konkurrenzanalyse (Was macht die Konkurrenz anders/besser?)
  • Analyse der Megatrends (Was könnte die Zukunft bringen?)
  • Durchführung von Innovations- und Kreativworkshops

Mit der Überprüfung und allfälliger Neugestaltung des Geschäftsmodells werden die Aussichten und Möglichkeiten der Zukunft beleuchtet, bestehendes hinterfragt und die Organisation auf die Zukunft ausgerichtet. Dazu bietet sich auch das Brand Totem™  von Rainmaker an.

Neben der aktiven Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell und der Zukunft der Organisation, kann man sich auch die Frage stellen, ob die Zusammenstellung des Führungsgremiums noch den Gegebenheiten und Perspektiven der Zukunft entspricht.

Zusammenstellung des Gremiums hinterfragen

Steckt ein Gremium in der Schockstarre oder kommt man nicht aus dem Krisenmodus heraus, dann drängt sich die Frage auf, ob die Zusammensetzung des Gremiums noch zeitgemäss ist und ob nicht die Zusammensetzung entsprechnd angepasst werden sollte, damit die Herausforderungen der Zukunft besser, agiler und strategischer bewältigt werden können. Um die Zukunft aktiv zu gestalten, neue Ideen zu entwicklen und voranzutreiben, braucht es allenfalls ganz andere Persönlichkeiten und Experten im Führungsgremium als in der Vergangenheit. Natürlich stellt sich hier dann auch die Frage nach dem möglichen Initialgeber für die Veränderung.

In vielen Verwaltungsräten oder Vorständen hat es heute zumindest einen Anwalt und einen Treuhänder, damit rechtliche und steuerrelevante Fragen im Gremium diskutiert und gelöst werden können. Weitere fachliche Kompetenzen sind oft in Führungsgremien nicht vorhanden. Fragen zur Technik, zur Informatik, zur Digitalisierung oder zu Vertrieb und Marketing werden oft an die operative Ebene delegiert.

Neue Köpfe (jung und alt aber auch männlich und weiblich) bringen bekannterweise auch neue Ideen. Neben reinen Fachspezialisten oder Generalisten könnten z.B. auch Naturwissenschaftler eine ganz neue Sichtweise in ein Vorstandsgremium oder einen Verwaltungsrat bringen. Die Mischung macht es aus und erlaubt einen Perspektivenwechsel.  Das kann helfen, sich besser auf die zukünftigen Herausforderungen vorzubereiten, diese zu antizipieren und damit erfolgreich im Team die Krise zu meistern.