Auszüge zum Referat wurden in der Fachzeitung „Verkehr“ publiziert. Tomate braucht Zahnbürste
Man erinnere sich an die Dr.Best-Werbung im Fernsehen: Ein Tomate kommt mit einer Schwingkopf-Zahnbürste in Kontakt. Weil diese einen biegsamen Hals hat, wird die Frucht nicht verletzt.
Die Logistikbranche verkauft sich häufig nur über die Zahnbürste, wobei das biegsame Element keine Rolle spielt. Zusätzlich fehlt die Tomate und damit ein weiterer Teil dessen, welchen Nutzen der Logistiker dem Kunden bringen kann.
Bei einem Vortrag vor dem Propeller Club in Basel zeigte ein Marketing-Spezialist auf, worauf es bei der Vermarktung in Logistikunternehmen ankommt. Daniel Seiler, Geschäftsführer von „The Rainmaker Corporation“ in der Schweiz, hängte das Thema am Beispiel der Zahnbürste von Dr. Best auf. Der gelernte Speditionskaufmann Seiler, der im Laufe seiner Karriere als Zolldeklarant und Spediteur Abertausende Kartons mit Kleidern durch den Zoll schleuste, hat sich auf Werbung und Marketing in der Logistikbranche spezialisiert und assistiert Logistikunternehmen beim Entwickeln ihrer ganz individuellen Marketingstrategie.
Warum Zahnbürste und Tomate? Stehen Zahnbürste und Tomate allein da, kommen andere Emotionen zustande, als wenn plötzlich die legendäre Werbebotschaft mit der Zahnbürste auf der Tomate auftaucht. Zusammen mit der Tomate wird die Zahnbürste zur Dr.-Best-Zahnbürste und damit ein besonderes Produkt: Beim Kauf einer Zahnbürste fällt dem Käufer vor dem Regal mit den Zahnbürsten die Tomate ein – und er greift zur Zahnbürste von Dr. Best. Durch diese Kombination von Zahnbürste und Tomate in der Vermarktungsstrategie steigerte Dr. Best in Deutschland seinen Marktanteil innerhalb von 12 Jahren von fünf auf 40 Prozent, so Seiler.
Was bringt’s dem Kunden
Auf die Logistikbranche übertragen heißt das: „Die Zahnbürste in der Logistik ist das Equipment, mit dem die Güter transportiert und manipuliert werden“, sagt Seiler. Das wird von der Branche in Werbung und Vermarktung auch ausgiebig kommuniziert. Seiler: „Es fehlt aber der Nutzen für den potenziellen Kunden. Es fehlt die Tomate“, betont Seiler.
Proaktive Kommunikation, Zuverlässigkeit, Partnerschaft und Vertrauen sind solche Tomaten, die vermarktet werden müssen. Seiler: Logistik ist heute sehr komplex und ihr steht ein mitunter hilfloser Kunde gegenüber. Die Emotion ist, wenn der Versender seine Ware heute verschickt, sie in einem Monat beim Empfänger (unbeschädigt und sicher) eintrifft und er dann sein Geld bekommt.
Zurück zur einfachen Sprache
Wichtig ist daher, dass der Spediteur durch aktive Kommunikation und Zuverlässigkeit ein partnerschaftliches Vertrauensverhältnis aufbaut. Seiler: „Kunden wissen längst, dass die Logistikwelt nicht perfekt ist und Fehler passieren. Nur muss der Kunde auf dem Laufenden gehalten werden, wenn eine Sendung verspätet eintrifft.“ Das muss proaktiv passieren und man darf auf keinen Fall Kunden zwingen, sich selbst über ein oft nicht aktuelles Tracking- Tool zu informieren.
Haben die Spediteure gerade noch vor einigen Jahren von Sammelverkehr und Transportketten gesprochen, so verwendet die Branche heutzutage geradezu inflationär neue, mitunter hochgestochene Begriffe, die den „hilflosen“ Kunden oft nur noch verwirren. Wer versteht schon Begriffe wie 3 PL, Advance Systems, Fully integrated Supply Chain Management, EDI, Benchmarking oder First Supplier? Seiler: „Heute besteht in der Industrie eine starke Tendenz zu Begriffen, die nicht wirklich alle Kunden – und auch Mitarbeiter im eigenen Haus – verstehen.“ Seine Empfehlung: In der klar verständlichen Botschaft liegt der halbe Erfolg.
Ein Logo, ein Name oder eine Marke ist ein Gefäß ohne Inhalt. Es muss gefüllt werden mit Identität. Im Kopf des Kunden müssten positive Bilder erzeugt werden, die dazu führten, daß der Logistiker die ersehnten Transportaufträge bekomme, beschreibt Seiler. Die Leute kaufen heute die Dr.-Best- Zahnbürste, weil die Werbung mit der Tomate bei ihnen glaubhaft rüberkommt. Positive Bilder müssen über die Zeit aufgebaut werden; Werte müssen authentisch und glaubwürdig sein, sie müssen verständlich und nachvollziehbar sein. Und sie müssen vom Management vorgelebt werden.
Seiler: „Blättert man heute Fachzeitungen durch, so fallen sofort die Werbebilder mit Lkw, Schiffen und Flugzeugen auf. Tomaten sieht man eigentlich keine.“
Klare Botschaft transportieren
Die Vermarktung von Logistik muss auffallen, klar und differenziet sein – und das ganz Entscheidende dabei: den Nutzen für den Kunden aufzeigen. Sein Appell an die Verkäufer in Logistikunternehmen: Verkäufer müssen emotional und differenziert auftreten, um neue Kunden zu gewinnen. Denn die Logistik ist eindeutig emotionaler als Waschmittel, Zahnbürsten oder Banken. Der Logistik-Verkäufer spricht den potenziellen Kunden direkt an und er braucht dabei das richtige Werkzeug, um letztlich überzeugen zu können. Allerdings: „Heute sind Verkäufer oft keine ausgebildeten Spediteure mehr. Ihnen fehlt eine glaubwürdige, plakative Story über das Übernehmen.“ Der Verkauf in Logistikfirmen ist vergleichbar mit Rangierbahnhöfen: Wer die erste Weiche falsch stellt, landet weit vom Ziel entfernt, auch wenn er alle weiteren Weichen richtig stellt.